Der rollende Schneeball
Investieren klingt einfach: Einen ETF wie den MSCI World kaufen und los geht’s – schnell, günstig und ohne großen Aufwand. Doch die Realität sieht anders aus. Wenn viele Anleger den gleichen Indexfonds kaufen, entstehen Klumpenrisiken. Die größten Aktien im Index werden von den ETFs immer weiter gekauft, was ihren Kurs und ihre Marktkapitalisierung in die Höhe treibt. Der rollende Schneeball wird immer größer, bis er irgendwann zerbirst.
Wie gefährlich das ist, erleben wir gerade: Das Vertrauen in die US-Wirtschaft schwindet, und der MSCI World fällt überproportional bzw. erholt sich weniger. Kein Wunder, wenn sich 73% des Index auf die USA und einige wenige Giganten wie die „Magnificent Seven“ (Apple, Microsoft, Google, Amazon, Nvidia, Tesla und Meta) konzentrieren. Die Konzentration auf wenige Top-Holdings treibt die Risiken weiter in die Höhe.
Eine passive Kaufen-und-vergessen-Mentalität ist beim MSCI World riskant. Auch, weil er kein wirklich globaler Index ist. Und weil zum Beispiel das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) nicht beachtet wird. Das KGV zeigt, wie teuer eine Aktie im Verhältnis zu ihrem Gewinn ist und hilft, überbewertete Aktien zu vermeiden. Ohne aktives Management wird es deshalb gefährlich.
Passives vs. aktives Management – kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch
ETFs sind kein Allheilmittel, können aber ein guter Baustein in gemischten Depots sein. Die Aspekte niedrige Kosten und breite Diversifikation sind gut, müssen aber hinterfragt werden. Passives Management folgt stur dem Index, birgt wie beschrieben Klumpenrisiken und kann weder Marktverwerfungen noch unternehmensspezifischen Risiken begegnen. Das kann nur ein aktives Management.
Die FAZ am Sonntag schlug vor kurzem vor, das Kapital nach der Wirtschaftskraft der Länder zu verteilen. Dafür gibt es aber keinen Fonds. Man muss die entsprechenden Investments selbst berechnen und konstruieren, und wenn man das mit Hilfe von ETFs tut, dann sollte man ein breit gestreutes Portfolio mit Rebalancing einsetzen.
Aber auch das reicht nicht! Aktives Management bedeutet eine durchdachte Streuung des Kapitals. Eine aktive Steuerung und Überwachung ist notwendig, um auf Marktveränderungen zu reagieren und ein ausgewogenes Verhältnis zu gewährleisten.
Es braucht deshalb beides, neben ETFs auch klassische aktive Fonds, die das abdecken, was ETFs eben nicht können.
Vielfalt ist der Schlüssel
Es gibt clevere Alternativen: Sogenannte Smart-Beta-ETFs, die zum Beispiel Aktien global gleichgewichten und oft günstiger sind als viele Standard-ETFs. Oder aktive Fonds, die gezielt die Gewinner von morgen abdecken und Anlagen wie Rohstoffe und festverzinsliche Wertpapiere gezielt beimischen. Die Vielfalt macht’s!
Portfolios mit diesem kombinierten Ansatz schneiden in den letzten turbulenten Monaten besser ab als reine Indizes. Allerdings erfordert er ein aktives Management. Anlegerinnen und Anleger müssen sich fragen: Wer bin ich? Was will ich? Welche Risiken gehe ich ein und wie viel Zeit habe ich? Nur wer seine Strategie bewusst verfolgt und immer wieder überprüft, hat Erfolg.
Geldanlage ist weder Glückssache noch Kinderspiel. Sie verlangt Wissen, Disziplin und Engagement. Diversifikation und ein individueller Ansatz sind der Schlüssel zum langfristigen Erfolg, gerade in diesen besonderen Zeiten.